Finanzlücke wird immer größer

Das Statistische Bundesamt hat die Ergebnisse zur Entwicklung der kommunalen Haushalte im 1. bis 3. Quartal 2009 übermittelt. Danach zeigen sich deutlich die Auswirkungen der Finanzmarkt- und Wirtschaftskrise auf die kommunalen Haushalte. Insbesondere die Einnahmenseite entwickelte sich aufgrund der stark rückläufigen Steuereinnahmen negativ. Gleichzeitig stiegen die Ausgaben. Insgesamt schlossen die kommunalen Haushalte das 1. bis 3. Quartal 2009 mit einem Finanzierungsdefizit von -6,8 Mrd. Euro ab. Dabei zeigt sich in einigen Bundesländern eine wesentlich dynamischere Abwärtsentwicklung gegenüber dem Bundesdurchschnitt.

Das Statistische Bundesamt weist darauf hin, dass sich durch die verstärkte Einführung der doppischen Buchführung bei den Gemeinden in mehreren Ländern zunehmend Schwierigkeiten bei den Vorjahresvergleichen der Kommunalen Kassenstatistik ergeben. Durch fehlerhafte Nachweise der doppisch buchenden Kommunen und den vollständigen Ausfall von statistischen Meldungen treten zum Teil starke Schwankungen auf. Die Statistischen Ämter können aufgrund ihrer knappen Kapazitäten und der engen Termine der Kassenstatistik nicht alle unterjährigen Schwankungen im Laufe des Berichtsjahres ausgleichen. Daher sind die unterjährigen Ergebnisdarstellungen nur noch mit Einschränkungen zu verwenden.

1. Finanzierungssaldo

Die Gemeinden und Gemeindeverbände (ohne die Stadtstaaten) in Deutschland haben im 1. bis 3. Quartal 2009 insgesamt -3,6 Prozent weniger Einnahmen als im Vorjahreszeitraum erzielt. Gleichzeitig stiegen die Ausgaben im Vergleich zum 1. bis 3. Quartal 2008 um +6,7 Prozent. Damit schlossen die Gemeinden das 1. bis 3. Quartal 2009 mit einem Finanzierungsdefizit von -6,8 Mrd. Euro ab (1. bis 3. Quartal 2008: +5,6 Mrd. Euro).

Während die Kommunen in den neuen Bundesländern durchweg Finanzierungsüberschüsse verzeichneten, schlossen die Kommunen in den alten Bundesländern das 1. bis 3. Quartal 2009 mit Finanzierungsdefiziten ab. Ein Großteil des aktuellen Finanzierungsdefizits geht auf die Gesamtheit der Kommunen in Baden-Württemberg und Nordrhein-Westfalen zurück.

Eine Übersicht über die Entwicklung einzelner Haushaltspositionen der Kommunalhaushalte enthält die nachfolgende Tabelle.

Ausgewählte Eckwerte der Kommunen im 1.-3. Quartal 2009

 

Gemeinden insgesamt1)

Gemeinden West1)

Gemeinden Ost

1.-3. Vj. 2009
Mrd. Euro

Veränderung gegenüber 1.-3. Vj. 2008

1. -3. Vj. 2009
Mrd. Euro

Veränderung gegenüber 1.-3. Vj. 2008

1.-3. Vj. 2009
Mrd. Euro

Veränderung gegenüber
1.-3. Vj. 2008

Bereinigte Einnahmen

119,45

-3,6%

99,27

-4,0%

20,17

-1,6%

Steuern netto

41,88

-13,1%

37,43

-13,5%

4,45

-8,8%

Gewerbesteuer netto

19,83

-21,6%

17,65

-22,5%

2,18

-12,8%

Gemeindeanteil Einkommenst.

12,23

-7,1%

11,25

-6,9%

0,98

-10,1%

Gemeindeanteil Umsatzsteuer

1,76

-0,6%

1,49

0,0%

0,27

-3,6%

Grundsteuer B

7,25

+1,1%

6,34

+1,1%

0,91

+1,1%

Grundsteuer A

0,28

+3,7%

0,22

0,0%

0,06

0,0%

Zuweisungen (SZ+IZ)

25,63

-0,8%

18,64

-1,0%

6,98

-0,6%

Schlüsselzuweis. v. Land (SZ)

21,02

0,5%

15,55

-0,4%

5,47

3,1%

Investitionszuweis. v. Land (IZ)

4,61

-6,3%

3,09

-3,6%

1,51

-11,5%

Gebühren

11,73

-0,1%

10,29

-0,1%

1,44

0,1%

Bereinigte Ausgaben

126,24

6,7%

106,60

7,0%

19,64

5,1%

Laufender Sachaufwand

26,32

6,7%

22,66

6,9%

3,66

5,3%

Sachinvestitionen

13,97

2,9%

11,54

2,7%

2,43

3,9%

Soziale Leistungen2)

29,81

4,0%

25,03

4,3%

4,78

2,4%

Personalausgaben

31,21

5,7%

25,75

5,3%

5,46

7,3%

Zinsausgaben

3,14

-13,5%

2,72

-12,7%

0,41

-18,4%

Finanzierungssaldo

-6,80

 

-7,33

 

0,53

 

1) Ohne Stadtstaaten.
2) Einschließlich Zahlungen an ARGE zur Erfüllung von „Hartz IV“.
Differenzen in den Summen durch Rundung.

[Quelle: Statistisches Bundesamt]

2. Einnahmen

Die bereinigten Einnahmen der Kommunen betrugen im 1. bis 3. Quartal 2009 119,5  Mrd. Euro und damit -3,6 Prozent weniger als im entsprechenden Vorjahreszeitraum.

Hauptgrund für den Einnahmenrückgang waren die stark rückläufigen Steuereinnahmen der Kommunen. Sie lagen mit 41,9 Mrd. Euro um -13,1 Prozent (-6,3 Mrd. Euro) unter dem entsprechenden Vorjahresbetrag.

Schwerpunktmäßig betroffen war die Gewerbesteuer. Hier war gegenüber dem Vorjahreszeitraum ein Rückgang der Einnahmen um netto -21,6 Prozent (-5,5 Mrd. Euro) auf 19,8 Mrd. Euro zu verzeichnen. Die Bundesvereinigung der kommunalen Spitzenverbände sieht nach ihrer aktuellen Haushaltsprognose das Ergebnis für 2009 bei -17,4 Prozent. Besonders deutliche Einbußen bei der Gewerbesteuer waren im 1. bis 3. Quartal 2009 in Hessen (-32,9 Prozent) und im Saarland (-24,7 Prozent) zu beobachten; für Schleswig-Holstein wurde ein Rückgang um -24,9 Prozent geschätzt.

Der Gemeindeanteil an der Einkommensteuer nahm gegenüber dem 1. bis 3. Quartal 2008 um -7,1 Prozent (-930 Mio. Euro) auf 12,2 Mrd. Euro ab. Auch der Gemeindeanteil an der Umsatzsteuer ging gegenüber dem Vorjahreszeitraum um -0,6 Prozent (-10 Mio. Euro) auf 1,76 Mrd. Euro leicht zurück.

Auch die übrigen Eckgrößen auf der Einnahmenseite waren im 1. bis 3. Quartal 2009 leicht rückläufig. Bei den Zuweisungen (insgesamt -0,8 Prozent) fielen insbesondere die Investitionszuweisungen niedriger aus als im Vorjahreszeitraum (-6,3 Prozent). Die Schlüsselzuweisungen stiegen leicht um +0,5 Prozent. Insgesamt erwartet die Bundesvereinigung der kommunalen Spitzenverbände in 2009 noch ein leichtes Plus bei den Zuweisungen von Land und Bund (Investitionszuweisungen: +1,8 Prozent; Schlüsselzuweisungen: +4,1 Prozent). Im Zusammenhang mit dem Vollzug des Zukunftsinvestitionsgesetzes ist für 2010 dann von einem starken Anstieg der investiven Zuweisungen (+41,6 Prozent) auszugehen; während die Schlüsselzuweisungen in 2010 zurückgehen werden (-3,0 Prozent).

3. Ausgaben

Die kassenmäßigen Ausgaben der Kommunen stiegen im 1. bis 3. Quartal 2009 um +6,7 Prozent auf 126,2 Mrd. Euro.

Gegenüber dem 1. bis 3. Quartal 2008 zeigt sich ausgabeseitig ein deutlicher Anstieg beim laufenden Sachaufwand um +6,7 Prozent. Diese Entwicklung steht im Zusammenhang mit der Doppikumstellung, die dazu führt, dass Auszahlungen, die bislang dem Bereich Investitionen zugeschlagen wurden, nunmehr dem Bereich Aufwendungen zugerechnet werden.

Die Sachinvestitionen sind gegenüber dem 1. bis 3. Quartal 2009 leicht gestiegen  (+2,9 Prozent auf 14 Mrd. Euro). Nach negativen Wachstumsraten im 1. und 2. Quartal 2009 (-4,6 Prozent bzw. -0,5 Prozent) ist im 3. Quartal erstmalig ein Anstieg der Sachinvestitionen um +10,4 Prozent zu verzeichnen. Hierin dürfte sich die voranschreitende Umsetzung des Konjunkturpakets II bemerkbar machen. Für das Jahr 2009 prognostiziert die Bundesvereinigung der kommunalen Spitzenverbände insgesamt einen leichten Anstieg der Sachinvestitionen um +1,8 Prozent; während das Konjunkturpaket II im Jahr 2010 zu einem wesentlich stärkeren Anstieg der Sachinvestitionen um +14,2 Prozent führen wird.

Die Ausgaben für soziale Leistungen nahmen im 1. bis 3. Quartal 2009 gegenüber dem Vorjahreszeitraum um +1,1 Mrd. Euro auf 29,8 Mrd. Euro zu (+4,0 Prozent). Im Verlaufe des Jahres 2009 zeigt sich ein kontinuierlicher Anstieg der Wachstumsraten (1. Quartal: +2,1 Prozent; 2. Quartal: +2,8 Prozent; 3. Quartal: +7,0 Prozent). Für das 4. Quartal ist - aufgrund der bereits im 4. Quartal 2008 eingeleiteten Trendwende bei den Sozialausgaben (+8,2 Prozent) - davon auszugehen, dass die Wachstumsrate geringer ausfallen wird. Die Bundesvereinigung der kommunalen Spitzenverbände erwartet für 2009 einen Anstieg der Sozialausgaben um insgesamt +3,3 Prozent auf 39,8 Mrd. Euro.

Die Personalausgaben nahmen im Berichtszeitraum um +5,7 Prozent (+1,7 Mrd. Euro) auf 31,2 Mrd. Euro zu. Auch hier spielen zum Teil Doppikeinflüsse eine Rolle; aufgrund eines unterschiedlichen Buchungszeitpunktes führt die Umstellung einmalig zu deutlichen Ausgabensteigerungen. Insofern dürfte die Entwicklung überzeichnet sein. Zum anderen spiegeln sich darin die Auswirkungen des am 31. März 2008 ausgehandelten Tarifabschlusses für die Beschäftigten des öffentlichen Dienstes wider. Hier kamen zum Jahresanfang noch einmal Tariferhöhungen zum Tragen und flossen Sonderzahlungen. Die zwischen der Vereinigung der kommunalen Arbeitgeber (VKA) und den Gewerkschaften Erziehung und Wissenschaft (GEW) und ver.di im Juli 2009 ausgehandelten Entgelterhöhungen für die 220.000 Beschäftigten im kommunalen Sozial- und Erziehungsdienst wurden erst zum 1. November 2009 wirksam und beeinflussen daher erst das Ergebnis des 4. Quartals.

Der Anstieg der Ausgaben insgesamt war, darauf weist das Statistische Bundesamt hin, auch durch außergewöhnlich hohe Zuwächse beim Erwerb von Beteiligungen und infolge von Kapitalerhöhungen (1. bis 3. Quartal 2009: 3,0 Mrd. Euro; 1. bis 3. Quartal 2008: 0,63 Mrd. Euro) der Landshauptstädte von Baden-Württemberg in Höhe von 945 Mio. Euro und Bayern in Höhe von 1,2 Mrd. Euro beeinflusst.

4. Entwicklungen in den einzelnen Bundesländern

Gegenüber den Kommunen in den ostdeutschen Bundesländern mussten die Kommunen in Westdeutschland im Berichtszeitraum stärkere Einbrüche ihrer Einnahmen (Ost: -1,6 Prozent; West: -4,0 Prozent) bei gleichzeitig höheren Ausgabensteigerungen (Ost: +5,1 Prozent; West: +7,0 Prozent) verkraften. Die negative Entwicklung der Einnahmen- und Ausgabenseite hat sich in einigen Bundesländern wesentlich dynamischer vollzogen als im Durchschnitt.

5. Verschuldung

Im 1. bis 3. Quartal 2009 konnten die Kommunen ihre Kreditmarktschulden um netto knapp -2,0 Mrd. Euro zurückführen. Hingegen wurden die Kassenkredite gegenüber Ende 2008 erneut aufgestockt - auf inzwischen 33,8 Mrd. Euro. Damit setzt sich der Trend zu einer starken Zunahme der Kassenkredite im Jahr 2009 fort. Nahmen die Kassenkredite im Laufe des Jahres 2008 insgesamt um +1,4 Mrd. Euro zu, liegt der Zuwachs der Kassenkredite in den ersten neun Monaten dieses Jahres bereits bei +4,0 Mrd. Euro. Damit machen die Kassenkredite ca. 30 Prozent der Gesamtverschuldung der Kommunen aus.