Land will Energieversorger stärken

Die schwarz-gelbe Landesregierung in Düsseldorf überlegt, den Anfang der Wahlperiode verschärften § 107 der Gemeindeordnung wieder zu lockern, um die kommunale Energiewirtschaft in Nordrhein-Westfalen zu stärken. Dies geht aus der nachfolgenden Presseerklärung des Städte- und Gemeindebundes vom 21. Januar hervor:

 

Ein Gutachten von Prof. Dr. Martin Burgi (Universität Bochum), das im Auftrag des nordrhein-westfälischen Wirtschaftsministeriums erstellt wurde, empfiehlt eine Lockerung des derzeit in Nordrhein-Westfalen geltenden Rechtsrahmens für die wirtschaftliche Betätigung von Stadtwerken auf den Energiemärkten. Stadtwerke und Verbünde von Stadtwerken sollen sich künftig auf Energiemärkten wie private Anbieter engagieren können, um den Ausbau der dezentralen Energieversorgung zu fördern und den Wettbewerb auf dem Energiemarkt zu stärken.

Hervorzuheben ist der umfassende systematische und interdisziplinäre Ansatz des Gutachtens. Insbesondere werden die verschiedenen rechtlichen Ebenen und Rechtsmaterien und ihre jeweiligen rechts- und wirtschaftspolitischen Zielsetzungen – Landes-, Bundes- und EG-Recht - in die Erarbeitung des Lösungsvorschlags mit einbezogen. So ergibt sich ein rechtlich kohärentes Regelungswerk für den Bereich der kommunalen Energiewirtschaft. Es bleibt abzuwarten, welche Ausstrahlungen die politische Debatte über das Für und Wider dieser Vorschläge in NRW - aber auch darüber hinaus - haben wird.

I. Systematischer Ansatz des Gutachtens

Das Gutachten schlägt eine auf die Besonderheiten des Energiesektors bezogene sektorenspezifische Modernisierung des Ordnungsrahmens für die kommunalwirtschaftliche Betätigung in Nordrhein-Westfalen vor. Dies geschieht vor dem Hintergrund einer Realbereichsanalyse und einer rechtlichen Analyse. Erstere kommt im Wesentlichen zu dem bereits skizzierten Ergebnis, dass der nach § 107 GO NRW bestehende Ordnungsrahmen für die kommunalwirtschaftliche Betätigung im Bereich der Energieversorgung nicht mehr zeitgemäß ist. Dies sei vor allem auf die zunehmende Dynamisierung und Entörtlichung und Internationalisierung des Marktgeschehens, die Zunahme und wachsende Formenvielfalt von Kooperationen und ganz wesentlich auf das Fortbestehen teilweise oligopolistischer Strukturen zugunsten der vier großen privatwirtschaftlichen Verbundunternehmen zurückzuführen. Die rechtliche Analyse macht zudem „Unausgewogenheiten im Gesamtbild von Rechtspflichten und rechtlich begründeten Vorteilen sowie erhebliche Intransparenzen aus.“ Das derzeitige Regelungskonzept liege ferner konträr zu dem des EG-Rechts, das – insbesondere in Gestalt des Beihilfe- und Vergaberechts - die kommunalen Unternehmen eher als potenzielle Dienstleistungserbringer und nicht so sehr als verlängerter Arm der Kommunen ansehe.

II. Neue Kategorie „energiewirtschaftliche Betätigung“

Im Wesentlichen wird dazu die Einführung einer neuen Kategorie kommunalwirtschaftlicher Betätigung vorgeschlagen, die ausschließlich auf den Energiemarkt bezogen ist. Die Kategorie wird als „energiewirtschaftliche Bestätigung“ bezeichnet. Dieser wird ein neuer Ordnungsrahmen zugeordnet, der zugleich den Wegfall bestimmter rechtlicher Bindungen, aber auch bislang bestehender rechtlich begründeter Vorteile andererseits beinhaltet.

Um eine Wettbewerbsgleichheit zwischen kommunaler energiewirtschaftlicher Betätigung und privaten Konkurrenten zu erreichen, wird die Abschaffung all jener rechtlich begründeten Vorteile befürwortet, in deren Genuss private Konkurrenten nicht kommen. Im Einzelnen sind dies:

  • der Ausschluss öffentlich-rechtlicher Organisationsformen in diesem Sektor,
  • das Verbot der Leistung von Krediten nach Maßgabe kommunalwirtschaftlicher Vorzugskonditionen sowie von Bürgschaften und Sicherheiten für Unternehmen im Bereich energiewirtschaftlicher Betätigung,
  • eine Beschränkung der Haftung der Gemeinde auf den Anteil am Stammkapital,
  • eine Vergaberechtspflicht trotz vorliegender Inhouse-Voraussetzungen.

Wegfallen soll bei der Kategorie „energiewirtschaftliche Betätigung“ dagegen:

  • die bislang bestehende Verknüpfung der grundsätzlichen Statthaftigkeit der überörtlichen Betätigung nach § 107 Abs. 3 GO NRW mit dem in diesem Bereich nach Auffassung der Gutachter kaum einmal erfüllbaren Erfordernis der Verfolgung eines „dringenden öffentlichen Zwecks“. Stattdessen soll die Betätigung außerhalb der Gemeindegrenzen grundsätzlich dann statthaft sein, wenn sie es bereits innerhalb des eigenen Gebiets ist;
  • die Genehmigungspflicht für eine Tätigkeit auf ausländischen Märkten; diese soll einer Anzeigepflicht weichen.

Zudem wird eine Modifizierung der dann nicht mehr vollständig adäquaten Pflicht zur Marktanalyse (§ 107 Abs. 5 GO NRW) vorgeschlagen.

III. Allgemeine Regelungen

Das grundsätzliche Erfordernis der Verfolgung eines öffentlichen Zwecks und das Erfordernis der Leistungsfähigkeit sollen beibehalten werden. Gleichzeitig soll den Kommunen allerdings durch eine sog. „Opt-out-Klausel“ ermöglicht werden, weiterhin im bisherigen Rahmen für die wirtschaftliche Betätigung zu verbleiben, wenn durchgehend ausschließlich innerhalb des eigenen Gemeindegebiets und ausschließlich für die eigenen Einwohner agiert wird. Ferner soll für die „energiewirtschaftliche Betätigung“ die Anforderung gelten, dass sie „nach Art und Umfang in einem angemessenen Umfang zur Leistungsfähigkeit der Gemeinde stehen muss“. Dies soll zum einen dem Schutz der Gemeinden vor finanzieller Überforderung dienen. Zum anderen wird damit aber auch eine „überaus wirkmächtige Grenze gegen übermäßige Betätigung jenseits der eigenen Gemeindegrenzen“ bezweckt.

"Die vorgeschlagene Gesetzesänderung erleichtert die Beteiligung der Gemeindewerke Steinhagen an Anlagen zur regenerativen Energiegewinnung außerhalb des Gemeindegebietes", so Bürgermeister Klaus Besser. Im Wirtschaftsplan der Gemeindewerke 2010 stehen 3 Mio. Euro für den Bau von Anlagen zur regenerativen Ernergieerzeugung bereit. Möglich ist zum Beispiel eine Beteiligung an einer Windkraftanlage in Norddeutschland.