Die finanziellen Belastungen der Gemeinden durch Steuersenkungen und zusätzliche Aufgaben waren Thema beim letzten Treffen der über 60jährigen Mitglieder des SPD-Ortsvereins Steinhagen mit Bürgermeister Klaus Besser und Fraktionsvorsitzender Sabine Godejohann.
Bürgermeister Klaus Besser machte in der Zusammenkunft im SPD-Bürgerbüro am 18. Januar 2010 deutlich, dass die derzeitigen finanziellen Probleme vieler Städte und Gemeinden in Deutschland durch bundespolitische Entscheidungen verursacht werden. Er benannte konkret die zum 01.01.2010 in Kraft getretenen Steuersenkungen, die auch den Städten und Gemeinden geringere Steuereinnahmen bescheren. Allein in Steinhagen vermindern sich die Gewerbesteuereinnahmen 2010 um weitere 80.000 Euro. Für 2011 plane die Regierungskoalition in Berlin weitere Steuersenkungen.
Auswirkungen hätten aber auch zahlreiche Leistungsgesetze des Bundes, wie die Übernahme der Unterkunftskosten für Langzeitarbeitslose durch die Kommunen, Ansprüche im Bereich der Jugendhilfe, im Bereich der Behindertenhilfe und die Umsetzung des Rechtsanspruchs auf Kinderbetreuung auch für unter dreijährige Kinder ab 2013, die der Bundestag beschlossen habe. Diese Gesetze gingen zu Lasten der Kommunen und damit letztlich zu Lasten von Infrastruktureinrichtungen und der Lebensquailität vor Ort.
In vielen Städten wird über die Schließung von Kultureinrichtungen und Sportstätten, zusätzlichen Abgaben und Entgelten und Ausgabenkürzungen diskutiert. "Auch in Steinhagen werden wir über Einnahmesteigerungen und Ausgabenreduzierungen diskutieren müssen, wenn das Grundproblem nicht behoben werde", so Klaus Besser.
Sabine Godejohann, Vorsitzende der SPD-Ratsfraktion, wies darauf hin, dass 2010 erstmals in der Geschichte der Gemeinde die Kreisumlage, also der Betrag, den die Gemeinde an den Kreis abzuführen hat, mit 16 Mio. Euro über den Gewerbesteuereinnahmen mit 13,5 Mio. Euro liege. Diese Tendenz werde auch in den nächsten Jahren anhalten.
Zu dieser Thematik hat der Städte- und Gemeindebund, dem auch die Gemeinde Steinhagen angehört, am 19. Januar 2010 nachfolgende Presseerklärung abgegeben:
Ein Notprogramm zur Sanierung der Kommunalfinanzen in Nordrhein-Westfalen hat der Hauptgeschäftsführer des Städte- und Gemeindebundes NRW Dr. Bernd Jürgen Schneider heute in Rheinbach gefordert. „Die Kommunen befinden sich in der schwersten Finanzkrise seit dem 2. Weltkrieg“, erklärte Schneider vor der Arbeitsgemeinschaft des Verbandes für den Regierungsbezirk Köln. Die kommunalen Haushalte würden buchstäblich zerrieben zwischen wegbrechenden Einnahmen, explodierenden Ausgaben und steigenden Kassenkrediten.
Als Beleg für die prekäre Einnahmesituation vieler Kommunen verwies Schneider auf die Gewerbesteuer. Diese wichtigste Einnahmequelle sei 2009 um durchschnittlich 20 Prozent zurückgegangen, in manchen Kommunen sogar um 60 Prozent. Zeitverzögert würden auch die Landeszuweisungen sinken. Denn auch das Land NRW habe Einnahmeausfälle von 3,7 Mrd. Euro zu verkraften.
Bei den Sozialausgaben seien vor allem die Eingliederungshilfe für Behinderte, die Kosten der Unterkunft für Langzeitarbeitslose, die Grundsicherung im Alter sowie die Pflegehilfe für die Steigerung verantwortlich. „Dies sind keine kommunalen Aufgaben, sondern gesamtgesellschaftliche Aufgaben“, machte Schneider deutlich.
Er warnte vor übereilten Nachbesserungen an der Struktur von Hartz IV: „Allen Reformideen ist gemein: Sie werden das System weiter verteuern“. Bereits jetzt hätten die NRW-Kommunen jährlich 3,5 Mrd. Euro für die Kosten der Unterkunft aufzubringen - Tendenz steigend. Als Folge der Kostensteigerung in vielen Bereichen seien die Sachinvestitionen seit 1992 auf weniger als die Hälfte zurückgegangen und betrügen nur noch 2,9 Mrd. Euro jährlich.
Doch auch dieser radikale Sparkurs habe den finanziellen Abwärtstrend der NRW-Kommunen nicht aufhalten können. „Zwischen 1985 und 2007 haben die Städte und Gemeinden 20 Mrd. Euro mehr ausgeben müssen, als sie eingenommen haben“, legte Schneider dar. Aus dieser Unterfinanzierung erkläre sich der enorme Anstieg der Kassenkredite. Diese seien in den zurückliegenden zehn Jahren von 2 Mrd. Euro auf 17 Mrd. Euro explosionsartig in die Höhe geschnellt. „Hier tickt eine Zeitbombe, sollten die Zinsen wieder einmal auf mittleres Niveau steigen“, warnte Schneider.
Auch ein Griff in die Rücklage, was nach dem Neuen kommunalen Finanzmanagement in gewissem Umfang möglich ist, bringe keine Erleichterung. Vielmehr hätten - das legten Umfragen nahe - bis 2013 rund zwei Drittel aller NRW-Kommunen ihre Ausgleichsrücklage aufgezehrt. Selbst die Erhöhung der Gebühren, die zu Recht als bürgerfeindlich wahrgenommen werde, schaffe kaum noch Luft.
„Wenig hilfreich sind in dieser Situation immer neue Leistungsversprechen der Politik“, so Schneider. Er appellierte an das Land NRW, im Bundesrat und bei der Bundesregierung seinen Einfluss geltend zu machen, um den Bund zu einem Sinneswandel zu bewegen. Künftig müsse wieder die Devise gelten „Wer Aufgaben bestellt, muss sie auch bezahlen“.
Als Beispiel für realitätsfremde Planungen des Bundes führte Schneider den Ausbau der Betreuung für unter Dreijährige an. Hier sei ein Rechtsanspruch ab 2013 beschlossen und gleichzeitig die Quote der voraussichtlichen Inanspruchnahme auf 35 Prozent eines Jahrgangs festgelegt worden. Nach aktuellen Prognosen werde die Quote jedoch deutlich höher liegen. Damit werde der Finanzierungskompromiss Makulatur.
Auch Initiativen für einen kostenfreien Kindergarten sowie die Pläne zur umfassenden Senkung der Steuern seien in höchstem Maße kontraproduktiv. Für das letztere kämen auf die NRW-Kommunen Mindereinnahmen von 2,5 Mrd. Euro jährlich zu. Insofern - so Schneider - sei nur zu verständlich, dass laut einer ARD-Umfrage 58 Prozent der Bürgerinnen und Bürger die geplante Steuersenkung ablehnten.
Als kurz- und mittelfristiges Maßnahmenpaket forderte Schneider ein Notprogramm zur Sanierung der Kommunalfinanzen vor. Dieser müsste mindestens fünf Punkte umfassen:
· Dauerhafte Mitfinanzierung der Soziallasten durch den Bund
· Konsolidierungshilfen des Landes NRW
· Verankerung eines Anspruchs der Kommunen auf finanzielle Mindestausstattung in der NRW-Landesverfassung
· Konnexitätsgrundsatz umgehungssicher ausgestalten
· Umfassender Abbau von Pflichtaufgaben und Standards