Behindertenhilfe muss anders finanziert werden

Bayern, die kommunalen Spitzenverbände in Nordrhein-Westfalen sowie
die Landschaftsverbände Rheinland (LVR) und Westfalen-Lippe (LWL) fordern, die Kommunen bei den Leistungen der Eingliederungshilfe für Menschen mit Behinderung zu entlasten.

Sie begrüßen die Forderung der Länder bei den laufenden Bund-Länder-Verhandlungen zum Fiskalpakt nach einer maßgeblichen Beteiligung des Bundes an der Eingliederungshilfe. Bayern hat im Juli 2012 in einer Initiative im Bundesrat die Einführung eines Bundesleistungsgesetzes gefordert, mit dem die Behindertenhilfe und deren Finanzierung neu geregelt werden sollen. Kritisiert wird vor allem, dass Behinderte derzeit auf Sozialhilfeleistungen angewiesen sind, die überwiegend von den Kommunen finanziert werden müssen.

Die fünf Kommunalverbände wollen vor dem Hintergrund der steigenden Zahl von Menschen mit Behinderung und den damit verbundenen höheren Kosten mit einem gemeinsamen, am 22. Juni veröffentlichten Positionspapier „Perspektiven der Eingliederungshilfe für Menschen mit Behinderung“ eine Plattform für den Dialog mit den Behindertenverbänden, der Freien Wohlfahrtspflege und der Öffentlichkeit schaffen. 

„Menschen mit Behinderung müssen gefördert und unterstützt werden. Die Kommunen und die Landschaftsverbände widmen sich engagiert der Aufgabe der gleichberechtigten Teilhabe von Menschen mit Handicap in unserer Gesellschaft. Die Leistungen der Eingliederungshilfe sind hier von zentraler Bedeutung. Sie sind eine gesamtstaatliche Aufgabe. Erforderlich sind deshalb eine Gesetzesreform zur inhaltlichen Weiterentwicklung und eine Beteiligung des Bundes und des Landes an diesen Kosten. Wir brauchen ein gesamtgesellschaftliches Bewusstsein für die Bedeutung und Dimension dieser Leistungen“, erklärten die Hauptgeschäftsführer von Städtetag NRW, Landkreistag NRW und Städte- und Gemeindebund NRW, Dr. Stephan Articus, Dr. Martin Klein und Dr. Bernd-Jürgen Schneider, sowie die Direktoren der Landschaftsverbände Rheinland und Westfalen-Lippe, Ulrike Lubek und Dr. Wolfgang Kirsch. 

Städte, Kreise, Gemeinden und die beiden Landschaftsverbände stellen sich seit Jahren ihrer Verantwortung für Menschen mit Behinderung. Allerdings nehme die Zahl der betroffenen Menschen deutlich zu. Beispielsweise werden heute 50 Prozent mehr Kinder mit dem Schwerpunkt geistige Entwicklung und 100 Prozent mehr Kinder im Schwerpunkt emotionale und soziale Entwicklung schulisch gefördert als noch vor 15 Jahren erwartet. Die Zahl der Menschen mit geistiger Behinderung, die über 60 Jahre alt sein werden, wird sich bis zum Jahr 2030 vervierfachen. 

Die Kosten der Eingliederungshilfe für Menschen mit Behinderung belaufen sich bundesweit für Länder und Kommunen auf jährlich 12,5 Milliarden Euro. In Nordrhein-Westfalen betrugen die Ausgaben im Bereich der Sozialhilfe im Jahre 2008 insgesamt rund 5,4 Milliarden Euro, die Ausgaben der Eingliederungshilfe daran betrugen rund 3,1 Milliarden Euro und somit über 57 Prozent. Die steigenden Ausgaben tragen wesentlich zur prekären Finanzlage der kommunalen Ebene bei. Die Steigerung zeige sich in allen Bereichen der Eingliederungshilfe, wie bei den Leistungen der Frühförderung, den Betreuungsleistungen für Kinder mit Behinderung im Kindergartenalter, den Integrationshelfern zur Sicherung des Schulbesuchs, den Wohnhilfen in ambulanter und stationärer Form sowie den Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben. 

Mit Blick auf die laufenden Verhandlungen von Bund und Ländern zum Fiskalpakt betonten die Geschäftsführer und Direktoren die finanziell äußerst angespannte Haushaltslage vieler Kommunen gerade in Nordrhein-Westfalen durch immer weiter steigende Sozialausgaben: „Die Kommunen werden in diesem Jahr bundesweit mit Sozialausgaben in einer Rekordhöhe von etwa 45 Milliarden Euro belastet. Die kommunalen Kassenkredite sind in den vergangenen Jahren auf mehr als 44 Milliarden Euro geradezu explodiert. Über die Hälfte davon entfallen auf NRW“, so Dr. Stephan Articus, Dr. Martin Klein, Dr. Bernd-Jürgen Schneider, Ulrike Lubek und Dr. Wolfgang Kirsch. 

Deshalb sei zu begrüßen, dass die Landesregierung gemeinsam mit anderen Ländern derzeit versucht, den Bund zu einer maßgeblichen Beteiligung an der Finanzierung der Eingliederungshilfe für Menschen mit Behinderung zu bewegen. Länder und Kommunen müssten an einer Entlastung bei der Eingliederungshilfe ihrem Anteil entsprechend beteiligt werden. 

Die kommunalen Spitzenverbände und Landschaftsverbände NRW stellen in dem Positionspapier weitere Forderungen an Bund und Land auf:  

  • Ein Konzept des Landes zur Umsetzung der UN-Behindertenkonvention unter
    besonderer Berücksichtigung eines inklusiven Schulunterrichts von Kindern und
    Jugendlichen mit Behinderung, das sich konsequent an die verfassungsrechtlichen
    Vorgaben des Konnexitätsprinzips hält.
  • Die vollen Leistungen der Pflegeversicherung auch für Menschen mit Behinderung
    – unabhängig von ihrer Wohn- und Betreuungssituation.
  • Neben der Übernahme von Ausgaben der Eingliederungshilfe für Menschen mit
    Behinderung durch den Bund käme auch die Einführung eines Bundesteilhabe-
    geldes als erster Schritt für ein Bundesleistungsgesetz für Menschen mit
    Behinderung in Betracht.

Zudem müsse eine Reform der Eingliederungshilfe auf Basis der Beschlüsse der Sozialministerkonferenz aus dem Jahre 2010 die gesetzlichen Rahmenbedingungen verbessern, beispielsweise die Finanzierung von ambulanten und stationären Wohnhilfen vereinheitlichen sowie die Steuerungsverantwortung der Sozialhilfeträger stärken. 

Das 12-seitige Positionspapier „Perspektiven der Eingliederungshilfe für Menschen mit Behinderung“ steht im Internetangebot der fünf Verbände zur Verfügung.

Die Bundesratsinitiative von Bayern kann über das Internetportal des Bundesrates verfolgt werden.

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