Widerspruch statt Klage

Die kommunalen Spitzenverbände haben sich für die Wiedereinführung von Widerspruchsverfahren im Abgabenrecht (Steuern, Gebühren, Beiträge) ausgesprochen. Die neue Landesregierung in NRW prüft jetzt, ob Sie die von der CDU/FDP Vorgängerregierung eingeführten Regelungen verändert.

Bis 2007 war vor der Erhebung einer Klage die Einlegung eines Widerspruchs in Nordrhein-Westfalen die verpflichtende Regel. Dadurch erhielten Bürgerinnen und Bürger und die Behörde die Möglichkeit, sich außergerichtlich zu einigen. Durch die Abschaffung des Widerspruchsverfahrens sind Bürgerinnen und Bürger seither gezwungen, innerhalb von einem Monat Klage vor Gericht gegen einen Bescheid zu erheben, wenn sie mit dem Inhalt nicht einverstanden sind. "Dadurch kommt es zu einer Vielzahl unnötiger Klageverfahren", hat auch Bürgermeister Klaus Besser beobachtet. Gerade bei Abgabenbescheiden sei dies festzustellen. Neben dem erhöhten Verwaltungsaufwand, der ja gerade vermieden werden sollte, beklagt Klaus Besser auch unnötige Gerichts- und Anwaltskosten für die Gemeinde und Bürger.

Mit dem Bürokratieabbaugesetz II hat das Land Nordrhein-Westfalen im Jahr 2007 das Widerspruchverfahren (Vorverfahren) grundsätzlich, so auch im Bereich des kommunalen Abgabenrechts, abgeschafft. Mit der Maßnahme wurde das Ziel verfolgt, die Verfahrenseffizienz der öffentlichen Verwaltung zu verbessern.

Im Bereich der kommunalen Abgabenerhebung ist dieses Ziel aus Sicht der kommunalen Spitzenverbände nicht erreicht worden. Das Vorverfahren ist im Abgabenrecht ein effektives Instrument zur schnellen, unkomplizierten und kostengünstigen Korrektur von Verwaltungsentscheidungen in einem Bereich, der sich durch Massenverfahren auszeichnet, in denen ein laufender lückenloser Informationsabgleich über alle möglichen Änderungen bei den Besteuerungsgrundlagen faktisch ausscheidet und i. S. einer Vermeidung unnötiger Verwaltungskosten einerseits und Auskunftspflichten der Bürger anderseits auch nicht wünschenswert ist. Diese Verfahrensstruktur führt dazu, dass ein i. d. R. für beide Seiten kosten- und zeitintensiver Informationsaustausch nur in den Fällen erforderlich ist, in denen sich die Besteuerungsverhältnisse tatsächlich geändert haben. Das Widerspruchsverfahren ermöglichte daher in diesen Fällen, in denen nun unmittelbar der Klageweg beschritten werden muss, eine Sachverhaltsaufklärung. Schon daher wird auch im allgemeinen Abgabenrecht das Vorverfahren – so das Einspruchsverfahren nach § 347 ff. AO – nicht in Frage gestellt.

Hinzu kommt, dass – anders als in anderen Verwaltungsbereichen – Entscheidungen der kommunalen Steuerbehörden in hohem Maße von den Grundlagenbescheiden und sonstigen Entscheidungen der Finanzverwaltung des Landes abhängig sind. Auf die Qualität dieser Basisdaten haben die Kommunen keinen direkten Einfluss. Faktisch wenden sich jedoch viele der nunmehr erforderlichen Klagen gegen kommunale Bescheide letztlich gegen genau diese Vor-Feststellungen der außerhalb der Kommune stehenden Finanzverwaltung.

Eine völlig neue Dimension erhält diese Problematik vor dem Hintergrund des Urteils des Bundesfinanzhofes vom 30.06.2010 (Az. II R 60/08), wonach das weitere Unterbleiben einer allgemeinen Neubewertung des Grundvermögens für die Zwecke der Grundsteuer mit den verfassungsrechtlichen Anforderungen, insbesondere mit dem allgemeinen Gleichheitssatz, nicht mehr vereinbar sei. Die Kommunen müssen sich angesichts der bereits angelaufenen Informationskampagnen der entsprechenden Fachverbände auf eine Klageflut gegen noch nicht bestandskräftig gewordene Grundsteuerbescheide einstellen. In dem Zusammenhang ist auch an die dramatische Zunahme von Einwendungen gegen Grundsteuerbescheide im Jahr 2006 hinzuweisen, als letztmalig die Verfassungsmäßigkeit der Grundsteuer ernsthaft in Frage gestellt zu sein schien.

"Damals gab es in Niedersachsen, wo das Widerspruchsverfahren abgeschafft war, eine Klageflut. Das ist spätestens Anfang 2011 auch in Nordrhein-Westfalen zu befürchten", so Klaus Besser.


Die kommunalen Spitzenverbände haben sich daher als Arbeitsgemeinschaft an den Staatssekretär Dr. Krüger im Ministerium für Inneres und Kommunales des Landes Nordrhein-Westfalen gewandt mit der Bitte, die im Koalitionsvertrag zwischen SPD und Bündnis 90/Die Grünen vereinbarte Prüfung der Wiedereinführung des Widerspruchverfahrens (vgl. S. 71 des Koalitionsvertrages) in Bezug auf das kommunale Abgabenrecht zeitnah aufzunehmen.

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