Kommunen fehlt Geld

Den Kommunen in Deutschland fehlt nach wie vor Geld. Sie beklagen insbesondere die hohe Belastung an den Sozialausgaben und fordern eine stärkere Beteiligung des Bundes. In einer gemeinsamen Erklärung haben sich daher jetzt die Landesregierung und die kommunalen Spitzenverbände an die Bundesregierung gewandt. Das Statistische Bundesamt veröffentlichte unterdessen erschreckende Zahlen über die Entwicklung der Kommunalfinanzen in 2010.

Gemeinsame Erklärung von Ministerpräsidentin Hannelore Kraft, Minister für Inneres und Kommunales Ralf Jäger, Finanzminister Norbert Walter-Borjans, Oberbürgermeister Peter Jung, Vorsitzender des Städtetages Nordrhein-Westfalen, Landrat Thomas Kubendorff, Präsident des Landkreistages Nordrhein-Westfalen, Bürgermeister Dr. Eckhard Ruthemeyer, Präsident des Städte- und Gemeindebundes Nordrhein-Westfalen vom 10. September 2010 

Das Land steht an der Seite der Kommunen

  1. Die Kommunen befinden sich in der schwersten Haushaltskrise seit Jahrzehnten. Kommunale Handlungsspielräume bestehen kaum noch. Grund dafür sind die seit Jahren stetig steigenden und kommunal finanzierten Aufwendungen für soziale Leistungen und die durch die Finanz- und Wirtschaftskrise wegbrechenden Steuereinnahmen. Mit Sorge sehen daher Landesregierung und kommunale Spitzenverbände die hohen Fehlbeträge in den kommunalen Haushalten in Nordrhein-Westfalen, die sich unter anderem in der Zunahme der Kassenkredite auf rund 20 Mrd. Euro zum 30.06.2010 widerspiegeln.

  2. Die Landesregierung strebt eine verlässliche Zusammenarbeit mit den Kommunen an. Dazu wird sie die kommunalen Spitzenverbände frühzeitig und umfassend bei allen Angelegenheiten mit Auswirkungen für die Kommunen beteiligen.
  3. Die Landesregierung wird insbesondere – trotz der auch für das Land schwierigen finanziellen Rahmenbedingungen – an der Seite der Kommunen stehen und mit dem „Aktionsplan Kommunalfinanzen“ für eine spürbare Verbesserung der kommunalen Finanzausstattung sorgen und die Kommunen wieder handlungsfähig machen.

    Der „Aktionsplan Kommunalfinanzen“
  4. Als Soforthilfe wird die Landesregierung den Kommunen bereits mit dem Nachtragshaushalt 2010 zusätzlich rund 300 Mio. Euro im Gemeindefinanzierungsgesetz 2010 zur Stärkung ihrer Finanzausstattung zur Verfügung zu stellen. Dazu werden die Kommunen nicht mehr mit jährlich 166,2 Mio. Euro an der Konsolidierung des Landeshaushalts beteiligt, und die Kommunen werden wieder an der Grunderwerbsteuer beteiligt. Darüber hinaus wird das Land die Mittel des Bundes für den Ausbau der Kinderbetreuung für unter Dreijährige auch für die Betriebskosten ungeschmälert an die Kommunen weiterleiten.
  5. Die Landesregierung wird – erstmals bereits im nächsten Jahr – im Rahmen eines „Stärkungspaktes Stadtfinanzen“ eine Konsolidierungshilfe für besonders belastete Kommunen leisten. Die Ausgestaltung steht im Detail noch nicht fest. Die Landesregierung wird nach der Vorlage des Gutachtens von Prof. Junkernheinrich und Prof. Lenk, die für Anfang November vorgesehen ist, mit den kommunalen Spitzenverbänden darüber in einen intensiven Dialog treten. Einig sind sich Landesregierung und kommunale Spitzenverbände sowohl darüber, dass Maßnahmen zu einer nachhaltigen Entschuldung von Kommunen dringend erforderlich sind, als auch darüber, dass diese Hilfen keine Fehlanreize auslösen sollen und die Empfängerkommunen eigene Konsolidierungspotenziale konsequent ausschöpfen.
  6. Der Bund muss sich dauerhaft und angemessen an den auf Bundesrecht beruhenden explodierenden Sozialkosten beteiligen. Die kommunalen Spitzenverbände begrüßen daher die erklärte Absicht der Landesregierung, auf Bundesebene auf eine dauerhafte und spürbare Entlastung der Kommunen im Bereich der sozialen Leistungen hinzuwirken.
  7. Für die Leistungen für Unterkunft und Heizung im Bereich des SGB II („Hartz IV“) muss eine höhere und gerechte Beteiligung des Bundes erreicht werden. Im laufenden Verfahren im Vermittlungsausschuss wird die Landesregierung daher einen fairen Berechnungsmaßstab einfordern, der an die tatsächlichen Kosten anknüpft. Daneben muss wirkungsvoll den Kostensteigerungen bei den Leistungen für behinderte Menschen, bei der Grundsicherung im Alter und bei der Hilfe zur Pflege begegnet werden. Hierzu sind die Einführung eines bundesfinanzierten Leistungsrechts für behinderte Menschen erforderlich, eine höhere finanzielle Beteiligung des Bundes bzw. die Übernahme der Kosten für die Grundsicherung im Alter und die Inanspruchnahme vorrangiger Sozialsysteme im Bereich der Hilfe zur Pflege.
  8. Landesregierung und kommunale Spitzenverbände treten für die Erhaltung der Gewerbesteuer ein. Sie ist die wichtigste Einnahmequelle der Kommunen. Gemeinsames Ziel ist es weiter, die Schwankungen des Gewerbesteueraufkommens durch eine Verbreiterung der Bemessungsgrundlage zu verringern.
  9. Die Landesregierung unterstützt die Kommunen gegenüber dem Bund darin, eine Beteiligung der kommunalen Spitzenverbände an der Kostenfolgeabschätzung von Gesetzen zu sichern und die Beteiligungsrechte der kommunalen Spitzenverbände in Gesetzgebungsverfahren zu stärken. Realisiert werden könnte dies zum Beispiel durch

    - ein privilegiertes Anhörungsrecht der kommunalen Spitzenverbände bei Anhörungen im Deutschen Bundestag und

    - die Einführung eines Anhörungsrechtes im Rahmen der Ausschussberatungen im Bundesrat.
  10. Im Rahmen der Evaluierung des Solidarpaktes Ost wird die Landesregierung alles tun, damit strukturschwache Regionen auch in den alten Ländern von diesen Mitteln profitieren können - Solidarleistungen müssen sich an Bedürftigkeit ausrichten und nicht an Himmelsrichtungen.
  11. Die Landesregierung wird Forderungen gegen die Kommunen, die sich aus der Abrechnung der Einheitslasten nach dem Einheitslastenabrechnungsgesetz ergeben, solange stunden, bis eine Entscheidung des Verfassungsgerichtshofs für das Land Nordrhein-Westfalen über die Verfassungsmäßigkeit dieses Gesetzes vorliegt. Bei der Abrechnung der Einheitslasten für das Jahr 2009, die im Jahr 2011 durchgeführt werden soll, sagt die Landesregierung zu, die Forderungen gegen die Kommunen zu stunden, die sich nach vorläufigen Schätzungen auf rund 170 Mio. Euro belaufen.
  12. Die Landesregierung sagt zu, dass es eine weitere Verlagerung von Aufgaben auf die kommunale Ebene ohne die Bereitstellung der erforderlichen Mittel nicht geben wird. Gemeinsames Ziel ist es, das Konnexitätsprinzip umgehungssicher auszugestalten. 

Das Statistische Bundesamt hat unterdessen die Ergebnisse zur Entwicklung der Kommunalfinanzen im 1. Halbjahr 2010 veröffentlicht. Die Gemeinden und Gemeindeverbände in Deutschland (ohne die Stadtstaaten) hatten im ersten Halbjahr 2010 (in Abgrenzung der Finanzstatistik) ein kassenmäßiges Finanzierungsdefizit in Höhe von 7,8 Mrd. Euro. Im ersten Halbjahr 2009 betrug das Finanzierungsdefizit noch 4,2 Mrd. Euro. Die Einnahmen der Kommunen stagnierten im ersten Halbjahr 2010 mit 76,8 Mrd. Euro (– 0,2%) auf dem Niveau des entsprechenden Vorjahreszeitraumes. Die kassenmäßigen Ausgaben stiegen dagegen um 4,3% auf 84,7 Mrd. Euro.

Durch Probleme im Zusammenhang mit der Einführung des doppischen Rechnungswesens auf kommunaler Ebene sind die Ergebnisse einiger Länder nur eingeschränkt aussagefähig; die Entwicklung wird beim Vergleich des ersten Halbjahres 2010 mit dem ersten Halbjahr 2009 dadurch insbesondere auf der Ausgabenseite etwas verzerrt wiedergegeben. Unter anderem zeigen sich bei den Personalausgaben unterjährig Schwankungen zwischen den Einzelquartalen. Daneben bedingen veränderte Zuordnungen Verschiebungen zwischen den Ausgaben für den laufenden Sachaufwand und den Sachinvestitionen. Dennoch stellt die Bundessumme der Einnahmen und Ausgaben ein aussagefähiges Bild der kommunalen Finanzsituation dar.

Den stärksten Rückgang auf der Einnahmenseite verzeichneten im ersten Halbjahr 2010 die im Rahmen des kommunalen Finanzausgleichs von den Ländern erhaltenen Schlüsselzuweisungen (– 8,4% auf 13,1 Mrd. Euro) gegenüber dem ersten Halbjahr 2009. Der Rückgang der Einnahmen aus der Gewerbesteuer netto – nach Abzug der Gewerbesteuerumlage – um 6,8% oder eine Milliarde Euro auf 13,9 Mrd. Euro (Vorjahr 14,9 Mrd. Euro) war der Hauptgrund für die weiterhin verringerten Steuereinnahmen der Kommunen. Sie lagen mit 26,4 Mrd. Euro im ersten Halbjahr 2010 nochmals um 4,3% unter dem Vorjahresbetrag im ersten Halbjahr 2009. Die übrigen Eckgrößen auf der Einnahmenseite lagen im ersten Halbjahr 2010 im positiven Bereich. Dabei fielen vor allem die investiven Zuwendungen vom Land mit 3,1 Mrd. Euro um 12,6% deutlich höher aus als im ersten Halbjahr 2009. Die Einnahmen aus Gebühren stiegen von 7,6 Mrd. Euro im ersten Halbjahr 2009 um 2,7% auf 7,8 Mrd. Euro im ersten Halbjahr 2010.

Auf der Ausgabenseite stiegen im ersten Halbjahr 2010 die Bauausgaben sehr deutlich auf 6,8 Mrd. Euro, was einer Steigerung von 20,4% gegenüber dem ersten Halbjahr 2009 (5,7 Mrd. Euro) entspricht. Ausschlaggebend war hier die Umsetzung der Konjunkturpakete von Bund und Ländern. Insgesamt erhöhten sich die Sachinvestitionen um 11,4% auf 8,7 Mrd. Euro. Im gleichen Zeitraum 2009 gaben die Kommunen hierfür 7,8 Mrd. Euro aus. Für soziale Leistungen mussten die Gemeinden 21,2 Mrd. aufwenden (+ 8,1% gegenüber dem ersten Halbjahr 2009 mit 19,6 Mrd. Euro). Die sächlichen Verwaltungs- und Betriebsausgaben erhöhten sich um 4,2% auf 18,0 Mrd. Euro. Mit 21,1 Mrd. Euro lagen die Personalausgaben um 2,3% über den Ausgaben vom ersten Halbjahr 2009. Dagegen fiel der Rückgang der Zinsausgaben mit 7,4% auf 1,9 Mrd. Euro deutlich aus.

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