Streit über Restmüllabholung

Einen interessanten Streitfall hat jetzt das Verwaltungsgericht in Münster entschieden. Ein Bürger hatte seine Wohnortgemeinde im Münsterland verklagt mit dem Ziel, das die Restmülltonne vor seinem Haus abgeholt wird. Das Gericht gab jetzt der Kommune recht. Die Kosten des Verfahrens muss der Kläger zahlen.

"Es ist schon interessant, mit welchen Fällen sich die Verwaltungsgerichte hierzulande befassen müssen, seitdem die Widerspruchsverfahren in Nordrhein-Westfalen weitestgehend abgeschafft wurden", so Bürgermeister Klaus Besser.
In dem entschiedenen Fall hielt es das Gericht für zumutbar, dass die mit Rollen versehene Restmülltonne von dem Eigentümer 110 Meter zur nächsten größeren Straße gebracht werden muss. Die Richter haben ihr Urteil vom 19.02.2010 (Az. 7 K 963/06) inzwischen ausführlich begründet.

In der Straße des Klägers bzw. Grundstückseigentümers konnte das Müllfahrzeug nicht wenden. Einem notwendigen Rückwärtsfahren des Müllfahrzeuges standen straßenverkehrsrechtliche und arbeitsschutzrechtliche Bestimmungen entgegen.

So ist ein Rückwärtsfahren mit einem Müllfahrzeug gemäß § 9 Abs. 5 Erster Halbsatz der Straßenverkehrsordnung (StVO) nur zulässig, wenn die Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer, aber auch sonstiger anderer Dritter (wie spielender Kinder oder aus den Grundstücken heraustretender Personen) ausgeschlossen ist. Auch der Einsatz eines nach § 9 Abs. 5 2. Halbsatz StVO erforderlichenfalls nötigen Einweisers schließt es nach Auffassung des Gerichts nicht aus, dass der mit dem Müllfahrzeug rückwärts fahrende Müllwagenfahrer nicht die erforderliche „äußerste Sorgfalt“ zu erbringen vermag, wenn die tatsächlichen örtlichen Verhältnisse an einer Straße dem entgegen stehen. Diese strengen Anforderungen folgen aus den Grundregeln des § 1 Abs. 1 und 2 StVO, wonach der Verkehrsteilnehmer eine ständige Vorsicht walten lassen muss, und zwar auch bezüglich des ruhenden Verkehrs und der nicht am Straßenverkehr beteiligten Personen. Dabei liegt eine (konkrete) Gefährdung im Sinne von § 1 Abs. 2 StVO bereits in der Nichtbeachtung der in der jeweiligen Verkehrslage gebotenen Sorgfalt und der damit anstehenden (wahrscheinlichen) Gefahr eines Schadenseintritts (vgl. bayerischer VGH, Urteil vom 11.03.2005 – Az. 20 B 04.2741 -; VG Münster, Urteil vom 04.02.2009 – Az. 7 K 1621/08).

Die im entschiedenen Fall zum klägerischen Grundstück führende Straße hatte eine Fahrbahnbreite von gut 5 m. Das eingesetzte Müllfahrzeug war bereits knapp 3 m breit. Insoweit sah das Gericht eine Gefährdungssituation als gegeben an. Fahre das Müllfahrzeug auf einer Strecke von mehr als 40 Metern in einem Zuge mit beidseitig verfügbaren Manövrierraum von nur einem Meter rückwärts, müsse stets damit gerechnet werden, dass es zu einer Gefährdung von Personen (insbesondere Kindern) kommt, die plötzlich von den Grundstücken auf die Straße treten. Auch der Einsatz eines Einweisers hilft nach Auffassung des Verwaltungsgerichts Münster hier nicht, weil dieser naturgemäß nicht die gesamte durch das Rückwärtsfahren des Müllfahrzeugs gefährdete Umgebung überblicken könne. Dieses werde durch den hier ungeraden, verwinkelten Straßenverlauf noch verschärft. Außerdem verfüge die Straße, in welcher der Kläger wohnt, nicht über einen Gehweg, was die Situation beim Rückwärtsfahren zusätzlich erschwere. Auch die an dem Müllfahrzeug angebrachte Kamera könne diese Gefährdungssituation nicht ausgleichen, weil es rund um das Fahrzeug viele tote Winkel gebe.

Darüber hinaus weist das Verwaltungsgericht Münster auch darauf hin, dass sich auch aus § 16 Nr. 1 der berufsgenossenschaftlichen Unfallverhütungsvorschrift (BGV C 27) ergibt, dass Müll nur abgeholt werden darf, wenn die Zufahrt zu Müllbehälterstandplätzen so angelegt ist, dass ein Rückwärtsfahren nicht erforderlich ist. Dieses sei im vorliegenden Fall nicht gegeben.

Schließlich unterstreicht das Münsteraner Gericht, dass die beklagte Stadt in ihrer Abfallentsorgungssatzung auch regeln konnte, dass den überlassungspflichtigen Abfallbesitzer/-erzeuger eine gesteigerte Mitwirkungspflicht dahin trifft, Abfallgefäße zu einem bestimmten Entleerungsort zu rollen, wenn das Abfallfahrzeug das Grundstück nicht unmittelbar anfahren kann. Eine entsprechende Regelung enthält auch die Abfallentsorgungssatzung der Gemeinde Steinhagen. Die beklagte Stadt sei auch nicht verpflichtet, in der Satzung für bestimmte Einzelfälle Ausnahmen von der Mitwirkungspflicht zu regeln, so die Richter. Das Verbringen von Abfällen über beliebig weite Entfernungen zu einem zentralen Sammelplatz dürfe zwar nicht die Grenze des Einsammelns und Beförderns als Entsorgungshandlung der beklagten Stadt überschreiten. Dieses sei vorliegend aber nicht der Fall.

Eine (einfache) Wegstrecke von 110 m sei dem Kläger vielmehr ungeachtet etwaiger gesundheitlicher Einschränkungen hinnehmbar. Dabei sei der Begriff der „Zumutbarkeit“ rein objektiv zu verstehen. Es sei stets einzelfallbezogen die jeweilige konkrete örtliche Situation, insbesondere die Erschließungssituation des betreffenden Grundstücks in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht, unter Berücksichtigung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit zu beurteilen. Hiernach sei ein strenger Richtwert, wonach eine Wegstrecke von mehr als 100 Metern die Zumutbarkeit generell ausschließt, nicht sachgerecht (vgl. auch Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 25.08.1999 – Az. 7 C 27.98; Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 27.07.1995 – Az. 7 NB 1/95).

Schließlich weist das VG Münster darauf hin, dass ein Bauwilliger, der ein Grundstück in einer verkehrsberuhigten Straße kauft, die mit Müllfahrzeugen nicht bzw. nur erschwert angefahren werden können, verpflichtet ist, den bei ihm anfallenden Müll an eine von einem Müllfahrzeug anfahrbare Sammelstelle zu verbringen. In diesem Fall könnten die Anlieger nicht fordern, dass angesichts der erschwerten Entsorgungssituation die beklagte Stadt als Träger der Müllentsorgung einspringt und sie von jeglichem Verbringen der Abfälle freistellt (so: OVG NRW, Urteil vom 03.06.2002 – Az. 7 A D 75/99 – NVWZ-RR 2003, Seite 97 f.).

"Der Fall zeigt, dass die Abschaffung des Widerspruchsverfahrens in Nordrhein-Westfalen nach dem Vorbild Niedersachsens nicht in jedem Fall zur Verwaltungsvereinfachung und Entbürokratisierung beiträgt", so Klaus Besser. In Steinhagen sind die wenigen Streitfälle über die Abholung der Müllgefäße bisher immer außergerichtlich gelöst worden. Im Falle einer Klage könnte sich die Gemeinde jetzt aber auf das Urteil des Verwaltungsgerichts Münster berufen.  

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