Die Steuerschätzer prognostizieren für 2020 die Folgejahre Steuerverluste in einem nie dagewesenen Ausmaß. "Für Kommunen brechen bittere Zeiten an", kommentierte Dr. Bernd Jürgen Schneider, Hauptgeschäftsführer des Städte- und Gemeindebundes NRW, die am 14. Mai 2020 verkündeten Zahlen der Mai-Steuerschätzung.
"Die finanziellen Folgen der Corona-Pandemie drohen die von den Städten und Gemeinden hart erkämpften Konsolidierungserfolge aus dem vergangenen Jahrzehnt zu pulverisieren. Selbst Kommunen, die bislang als gesund angesehen wurden, können auf absehbare Zeit ihre Haushalte nicht mehr ausgleichen" betonte Schneider. Bürgermeister Klaus Besser fordert daher, dass das Land und der Bund den Kommunen zusätzliche finanzielle Mittel bereitstellen, um vor Ort die Infrastruktur aufrecht zu erhalten. "Die Krise darf nicht zu Lasten der Gemeinden und damit der Menschen vor Ort gehen", so Besser. Die Gemeinde Steinhagen hat bereits beschlossen, zahlreiche Maßnahmen auf das nächste Jahr zu verschieben, um 2020 das Haushaltsdefizit zu vermindern. "Gerade bei einer wirtschaftlichen Rezession sind aber öffentliche Investitionen wichtig, um Industrie und Handwerk zu stützten und Arbeitsplätze zu sichern", betont der Bürgermeister.
"Es liegt zwar noch keine offizielle Regionalisierung der Schätzung für NRW vor, aber nach den Erfahrungswerten der vergangenen Jahre dürfte alleine der Rückgang der wichtigsten kommunalen Steuer, der Gewerbesteuer, in diesem und im nächsten Jahr bei deutlich über vier Milliarden Euro liegen", rechnete der Hauptgeschäftsführer des kommunalen Spitzenverbandes vor. Dies sei für das laufende Jahr ein Verlust von etwa 25 Prozent des noch zu Jahresbeginn erwarteten Aufkommens. Zum Vergleich: Als Folge der Finanzkrise zum Ende des vergangenen Jahrzehnts betrug der Rückgang der Gewerbesteuer rund drei Milliarden Euro.
Außerdem müssen Städte und Gemeinden Verluste bei der Einkommensteuer und Umsatzsteuer verkraften. Über ihre feste Beteiligung an diesen Steuern werden sie in den Jahren 2020 und 2021 auf etwa 1,9 Milliarden verzichten müssen. "Auch die fehlenden Steuereinkünfte des Landes werden die Kommunen treffen, und zwar über den kommunalen Finanzausgleich in den kommenden Jahren", machte Schneider deutlich. "Sinken die Erträge bei den sogenannten Verbundsteuern - also Einkommensteuer, Körperschaftssteuer und Umsatzsteuer - um zehn Prozent, so bedeutet das Minderzuweisungen an die Kommunen im Finanzausgleich in Höhe von rund 1,3 Milliarden Euro."
Insgesamt müssten die NRW-Kommunen 2020 und 2021 voraussichtlich mit über 7,2 Milliarden Euro weniger auskommen als geplant. Die in großem Umfang wegbrechenden Gebühren und Entgelte für kommunale Einrichtungen wie Theater, Volkshochschulen, Kindergärten oder Schwimmbäder bei weiterhin laufenden Kosten seien in dieser Rechnung noch gar nicht berücksichtigt. Erste grobe Schätzungen im März hatten die Belastungen durch die Corona-Krise auf fünf bis sechs Milliarden Euro taxiert.
Die geringeren Einnahmen treffen zusammen mit ebenfalls durch die Pandemie verursachten zusätzlichen Ausgaben, etwa für Personal in den Ordnungsämtern zur Überwachung der Hygieneauflagen, für Gesundheitsämter, für Material wie Masken, Schutzanzüge und Desinfektionsmittel oder für Programme zur Linderung der finanziellen Auswirkungen der Krise auf die lokale Wirtschaft und Kultur. "Die Kreisumlage dürfte deutlich steigen, da viele dieser Aufwendungen auch beim Kreis entstehen", so Bürgermeister Besser. Da die Kreise keine eigenen Steuereinnahmen haben, finanzieren sie sich über eine von den kreisangehörigen Städten und Gemeinden zu zahlende Umlage.
"Zusätzliche Aufgaben sind mit immer weiter einbrechenden Einnahmen nicht ansatzweise zu leisten. Schon vor Corona waren die Kommunen strukturell unterfinanziert. Jetzt sind sie mehr denn je auf eine nachhaltige Entlastung ihrer Haushalte angewiesen", erklärte Schneider. In einem ersten Schritt müsse das Land jetzt endlich seine Zusagen aus der Vergangenheit erfüllen und den Städten und Gemeinden in vollem Umfang die Kosten der Versorgung von Asylbewerbern und geduldeten Personen ohne Bleiberecht erstatten. "Diese Anpassung ist längst überfällig. Allein in den vergangenen zwei Jahren haben Städte und Gemeinden rund eine Milliarde Euro vorgestreckt, weil das Land seinen Verpflichtungen nicht nachkommt, die wahren Kosten zu tragen", so Schneider.
"Wir erkennen an, dass das Land erste Soforthilfen in Aussicht gestellt hat, um die Liquidität der Kommunen zu gewährleisten. Aber um die Handlungsfähigkeit der Städte und Gemeinden dauerhaft sicherzustellen, müssen Hilfen in einer ganz anderen Größenordnung erfolgen. Kreditzusagen lösen das Problem nicht. Wir sprechen hier über einen Rettungsschirm für die NRW-Kommunen mit echten Zuschüssen von mindestens fünf Milliarden Euro", betonte Schneider. Hier seien sowohl der Bund als auch das Land zu einer gemeinsamen Kraftanstrengung gefordert.
Die Städte, Gemeinden und Kreise stünden an vorderster Front bei der Bewältigung der Krise. Sie kümmerten sich mit ihren Ordnungs- und Gesundheitsämtern um den Infektionsschutz und seien als Träger von Kitas, Schulen und Kultureinrichtungen gefordert. In den nächsten Jahren sollen sie zum Wohle der Wirtschaft die öffentlichen Investitionen zum Neustart nach Corona hoch halten.
"Ob der Staat die Krise in den Griff bekommt, zeigt sich zuerst direkt vor Ort, in den Städten und Gemeinden. Jede Unterstützung für die Kommunen ist deshalb in Wirklichkeit ein Rettungsschirm für die Gesellschaft", so Schneider.