Die kommunalen Spitzenverbände in Nordrhein-Westfalen – der Städtetag NRW, der Landkreistag NRW sowie der Städte- und Gemeindebund NRW – haben am 6. Januar in Düsseldorf ein rechtswissenschaftliches Gutachten vorgestellt. Es unterstreicht das Recht der Kommunen nach dem Grundgesetz auf eine finanzielle Mindestausstattung.
Das von Prof. Dipl.-Volkswirt Dr. jur. Klaus Lange von der Universität Gießen, Präsident des Staatsgerichtshofes des Landes Hessen a. D.,erarbeitete Gutachten beschreibt umfassend die Vorgaben des Grundgesetzes für die Finanzausstattung der Städte, Gemeinden und Kreise und entwickelt daraus Änderungsvorschläge für die Landesverfassung NRW.
Bisher sind die Kommunen in Nordrhein-Westfalen finanziell für die Erfüllung ihrer vielfältigen Aufgaben unzureichend ausgestattet. Es gibt keine Festlegungen zur finanziellen Mindestausstattung der Kommunen. Vor dem Hintergrund des jetzt vorgelegten Gutachtens forderten der stellvertretende Geschäftsführer des Städtetages NRW, Helmut Dedy, und die Hauptgeschäftsführer Dr. Martin Klein, Landkreistag NRW, und Dr. Bernd Jürgen Schneider, Städte- und Gemeindebund NRW die Verankerung von Mindeststandards in der Landesverfassung.
Ungeachtet der guten Konjunktur und trotz des Stärkungspaktes Stadtfinanzen geben die finanziellen Verhältnisse vieler Kommunen in Nordrhein-Westfalen weiterhin Anlass zu Besorgnis. Die gute Entwicklung der Steuereinnahmen wird mehr als aufgezehrt von den ständig steigenden Aufwendungen in den sozialen Sicherungssystemen und die generelle Kostenentwicklung vieler Aufgabenbereiche. Hinzu kommen die Herausforderungen durch die starke Zuwanderung von Flüchtlingen.
Ohne einen verbesserten Schutz der kommunalen Finanzausstattung wird auch die anstehende Umsetzung der Schuldenbremse, so die Befürchtung der kommunalen Spitzenverbände, zu weiteren Belastungen führen.
Dieser Befund war Anlass für die kommunalen Spitzenverbände in NRW, ein juristisches Gutachten unter anderem zu folgenden Fragen einzuholen:
- Welche Gewährleistungen gibt es zur Sicherung der finanziellen Grundlagen der kommunalen Selbstverwaltung im Grundgesetz und an wen müssen sich die Kommunen wenden?
- Ergibt sich für die Kommunen aus dem Grundgesetz ein Anspruch auf finanzielle Mindestausstattung? Ist ein solcher Anspruch einer Abwägung mit Finanzierungsinteressen des Staates (Bund und/oder Land) unterworfen? Existiert ein unantastbarer Kernbereich der Finanzausstattung, der auch bei einer schwierigen Haushaltslage des Landes nicht unterschritten werden darf?
Mit der Erstellung des Gutachtens wurde der Gießener Rechtswissenschaftler Prof. Dipl.-Volkswirt Dr. jur. Klaus Lange beauftragt. Er war von 1984 bis 2014 Mitglied sowie von 1996 bis 2003 und 2008 bis 2009 Präsident des Staatsgerichtshofes des Landes Hessen. Hier die wesentlichen Ergebnisse des Gutachtens:
- Die Kommunen haben aufgrund Art. 28 Abs. 2 Grundgesetz gegen das Bundesland, zu dem sie gehören, einen Anspruch auf finanzielle Mindestausstattung. Diese muss es den Kommunen erlauben, nicht nur ihre Pflichtaufgaben, sondern darüber hinaus freiwillige Selbstverwaltungsaufgaben wahrzunehmen.
- Die durch Art. 28 Abs. 2 Grundgesetz gebotene finanzielle Mindestausstattung der Kommunen kann nicht durch den Hinweis, dass auch die Haushaltslage des Landes schwierig sei, eingeschränkt werden. Insoweit ist die jüngere Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofs NRW kritisch zu sehen.
Der Normalfall der verfassungsmäßigen Finanzausstattung der Kommunen kann nicht die Mindestausstattung sein, sondern muss eine darauf aufbauende und über sie hinausgehende angemessene Finanzausstattung darstellen, die ebenfalls aus Art. 28 Abs. 2 Grundgesetz abgeleitet werden kann. Diese "angemessene Finanzausstattung" kann allerdings von der Leistungsfähigkeit des Landes abhängig gemacht werden.
Das Gutachten wurde den Mitgliedern der Verfassungskommission des Landtages NRW übergeben, die momentan über Änderungsvorschläge zur Landesverfassung NRW beraten.
Bürgermeister Klaus Besser hat in den letzten Jahren bei der Einbringung des Gemeindehaushalts regelmäßig auf die unzureichende Finanzausstattung der Kommunen hingewiesen. "Ich würde es daher begrüßen, wenn die finanziellen Rahmenbedingungen verbessert und verbindlich in der Verfassung geregelt werden", so Besser.